§ 96 Abs. 1,1a + 2 BetrVG

Berufsbildung fördern

Was ist Berufsbildung im Sinne dieses Gesetzes?
Dazu gehören die klassische Berufsausbildung, also die Lehre oder An- und Umschulungsmaßnahmen ebenso, wie jegliche Form der für den Beruf notwendigen Fort- und Weiterbildung wie Studiengänge, Seminare, Kurse usw.
Dies können im betrieblichen Alltag auch schon kleinere Maßnahmen sein, wie:
  • Sicherheitunterweisungen,
  • Traineeprogramme,
  • Vorgesetztenschulungen,
  • das Anlernen an neuen Maschinen oder eines neuen Herstellungsverfahrens,
  • Vermittlung von Kenntnisse für eine neue Software,
  • Sprachkurse
  • usw.
Auch der Einsatz von e-learning gehört dazu. Hierbei sollen Arbeitnehmer am PC an ihrem Arbeitsplatz selbstständig softwaregesteuerte Lernmodule in Anspruch nehmen, um für die Tätigkeit notwendiges Wissen zu erlangen. Selbstverständlich kommt beim Thema e-learning auch immer noch die Mitbestimmung des Betriebsrats im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hinzu.
Dabei sind nicht nur Maßnahmen zu berücksichtigen, die im Betrieb selber angeboten werden, sondern auch Berufsbildungsmaßnahmen, die unabhängig vom Betrieb stattfinden (z.B. von Handwerkskammern angeboten werden) - und zwar auch solche, bei denen der Arbeitnehmer selbst die Initiative ergreift (z.B. weil er ein Abendstudium machen will).
Förderung der Berufsbildung kann aus Sicht des Betriebsrats z.B. auch bedeuten, dass...
  • Berufsausbildungsmöglichkeiten weiterhin, erweitert oder neu angeboten werden
  • möglichst viele und qualifizierte Fortbildungsangebote entwickelt werden
  • im Rahmen dieser Angebote nicht nur direkt für die betriebliche Arbeit verwertbare Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden
  • besonders ältere, teilzeitbeschäftigte und durch Familienpflichten eingeschränkte Arbeitnehmer gleichberechtigte Chancen zur Fort- / Weiterbildung bekommen
  • die Teilnahme an externen Bildungsmaßnahmen (etwa durch Kostenbeteiligung oder Freistellung) unterstützt und nicht behindert wird
Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer die Teilnahme an der Bildungsmaßnahme zu ermöglichen, es sei denn, betriebliche Notwendigkeiten stehen dem entgegen.
Diese Formulierung legt die Hürde für den Arbeitgeber sehr hoch, um den Wunsch eines Arbeitnehmers auf Bildung ablehnen zu können.

Vielmehr haben Arbeitgeber und Betriebsrat dahingehend zu wirken, dass eventuelle Hinderungsgründe, die dem Arbeitnehmer die Teilnahme an Bildungsmaßnahmen unmöglich machen könnten, abgebaut werden.
Bestandteil einer vernünftigen Personalplanung sollte auch immer ein "Personalentwicklungsplan" sein, der Aufschluss darüber gibt, wie der künftige Bedarf an betrieblichen Berufsbildungsmaßnahmen eingeschätzt wird (siehe § 92 BetrVG > Personalpläne)!
Gibt es noch keinen fundierten Personalentwicklungsplan, kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber verlangen, dass dieser den Berufsbildungsbedarf ermittelt und mit ihm die daraus abzuleitenden Bildungsmaßnamen berät – sprich: einen Personalentwicklungsplan erarbeitet. Der Betriebsrat selbst kann und soll daraus dann eigene Vorschläge für Berufsbildungsmaßnahmen entwickeln.
Die konkreten Schritte:
  1. Erhebung des aktuellen Qualifizierungsstands der Belegschaft (Ist-Zustand)
  2. Erarbeitung von Prognosen zu künftig benötigten Qualifizierungen (Grundlage: mittel- und langfristige Investitions- und Entwicklungspläne)
  3. Feststellung des sich aus diesen Daten ergebenden Bedarfs an betrieblichen Berufsbildungsmaßnahmen (Soll-Zustand)
Zu den konkreteren Mitbestimmungsrechten bei Berufsbildungsfragen und -maßnahmen siehe § 97 Abs. 2 BetrVG und § 98 BetrVG.

§ 96 Abs. 1,1a+2

(1) Arbeitgeber und Betriebsrat haben im Rahmen der betrieblichen Personalplanung und in Zusammenarbeit mit den für die Berufsbildung und den für die Förderung der Berufsbildung zuständigen Stellen die Berufsbildung der Arbeitnehmer zu fördern. Der Arbeitgeber hat auf Verlangen des Betriebsrats den Berufsbildungsbedarf zu ermitteln und mit ihm Fragen der Berufsbildung der Arbeitnehmer des Betriebs zu beraten. Hierzu kann der Betriebsrat Vorschläge machen.
(1a) Kommt im Rahmen der Beratung nach Absatz 1 eine Einigung über Maßnahmen der Berufsbildung nicht zustande, können der Arbeitgeber oder der Betriebsrat die Einigungsstelle um Vermittlung anrufen. Die Einigungsstelle hat eine Einigung der Parteien zu versuchen.
(2) Arbeitgeber und Betriebsrat haben darauf zu achten, dass unter Berücksichtigung der betrieblichen Notwendigkeiten den Arbeitnehmern die Teilnahme an betrieblichen oder außerbetrieblichen Maßnahmen der Berufsbildung ermöglicht wird. Sie haben dabei auch die Belange älterer Arbeitnehmer, Teilzeitbeschäftigter und von Arbeitnehmern mit Familienpflichten zu berücksichtigen.