§ 99 Abs. 2 BetrVG

Zustimmungsverweigerung - wann?

Der Betriebsrat kann seine Zustimmung zu einer beabsichtigten personellen Einzelmaßnahme (Einstellung, Ein- / Umgruppierung, Versetzung) nicht verweigern, weil er die Maßnahme z.B. für sachlich falsch oder für unvernünftig im Sinne einer vorausschauenden Personalplanung hält, sondern nur aus sechs genau festgelegten Gründen:

1. Wenn die Maßnahme gegen eine der im Gesetzestext genannten Regelungen verstoßen würde, also gegen...
  • ein Gesetz (z.B. Jugendarbeitsschutzgesetz, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Schwerbehindertengesetz, Arbeitnehmerüberlassungsgesetz)
  • eine Verordnung (kommt selten vor)
  • einen Tarifvertrag (z.B. zu Entgelt, Mindestarbeitsbedingungen, Arbeitszeiten)
  • eine Betriebsvereinbarung (z.B. auch Sozialplan / Interessenausgleich)
  • eine gerichtliche Entscheidung (z.B. ein gerichtliches Berufsverbot für einen Arzt)
  • eine behördliche Anordnung (z.B. Untersagung der Beschäftigung von Jugendlichen)
2. Wenn die Maßnahme gegen eine zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber vereinbarte Auswahlrichtlinie verstoßen würde (Achtung: Auswahlrichtlinien sind nur in seltenen Ausnahmefällen sinnvoll - siehe § 95 BetrVG).
3. Wenn die Maßnahme für bereits Beschäftigte eine Kündigungsgefahr oder andere Nachteile mit sich bringen würde. Das könnte z.B. der Fall sein, wenn...
  • die Gefahr besteht, dass einem anderen Arbeitnehmer infolge einer beabsichtigten Neueinstellung gekündigt wird
  • sich durch eine Versetzung oder Neueinstellung die Arbeitsbedingungen oder -anforderungen für andere Arbeitnehmer verschlechtern
  • in der Folge einer Versetzung die früheren Arbeitskollegen die Arbeit des Versetzten mit übernehmen müssen
Sieht der Betriebsrat Nachteile, die der Arbeitgeber bei seiner geplanten Maßnahme nicht sieht oder beachtet, sollte der Betriebsrat auf jeden Fall einen Widerspruch formulieren. Betriebsräte sind "Rechtslaien" und können nicht rechtssicher entscheiden, ob ein "sonstiger Nachteil" im juristischen Sinne tatsächlich so zu werten ist.
Will der Arbeitgeber die personelle Maßnahme trotzdem durchführen, muss er im Zustimmungsersetzungsverfahren (siehe § 99 Abs. 4 BetrVG) stichhaltige Gründe vortragen, warum diese Nachteile entweder nicht bestehen oder zu rechtfertigen sind.

4. Wenn die Maßnahme für den betroffenen Arbeitnehmer selber (also z.B. den zu Versetzenden) einen sachlich / betrieblich nicht begründeten Nachteil zur Folge haben würde. Dies wird besonders oft der Fall sein, wenn mit einer Versetzung die Schlechterstellung des Betroffenen verbunden ist.
Für Neueinstellungen kann dieser Verweigerungsgrund nicht vorgebracht werden, weil z.B. eine falsche Eingruppierung nach der Einstellung auf andere Weise angegangen werden kann.
5. Wenn die Maßnahme durchgeführt werden soll, ohne dass die für eine Neueinstellung oder Versetzung vorgesehene Stelle vorher innerbetrieblich ausgeschrieben worden ist (siehe § 93 BetrVG).
6. Wenn die Maßnahme zu einer Störung des Betriebsfriedens führen würde. Das könnte z.B. der Fall sein, wenn es durch Tatsachen (!) belegbare Gründe gibt, dass ein Bewerber nach der Einstellung durch Straftaten begehen oder im Sinne von § 75 BetrVG andere Arbeitnehmer aus rassistichen oder ähnlichen Gründen diskriminierend behandeln könnte.
Zu Punkt 6 wird der Betriebsrat besonders vorsichtig und zurückhaltend agieren. Er müsst seine Zustimmungsverweigerung ja durch Tatsachen untermauern, was besonders schwierig ist, weil es ja um die Bewertung künftigen Verhaltens geht. Und es ist ja immer mehr als heikel, Verhaltensweisen aus der Vergangenheit (z.B. das Begehen einer Straftat) einfach auf die Zukunft zu übertragen. Besser also der Betriebsrat lässt die Finger von Punkt 6.
Was der Betriebsrat bei Beschluss und Formulierung seiner Zustimmungsverweigerung beachten muss (und ein entsprechendes Beispielschreiben) wird unter § 99 Abs. 3 BetrVG dargestellt...

§ 99 Abs. 2

(2) Der Betriebsrat kann die Zustimmung verweigern, wenn
1. die personelle Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Unfallverhütungsvorschrift oder gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung oder gegen eine gerichtliche Entscheidung oder eine behördliche Anordnung verstoßen würde,
2. die personelle Maßnahme gegen eine Richtlinie nach § 95 verstoßen würde,
3. die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist; als Nachteil gilt bei unbefristeter Einstellung auch die Nichtberücksichtigung eines gleich geeigneten befristet Beschäftigten,
4. der betroffene Arbeitnehmer durch die personelle Maßnahme benachteiligt wird, ohne dass dies aus betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen gerechtfertigt ist,
5. eine nach § 93 erforderliche Ausschreibung im Betrieb unterblieben ist oder
6. die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass der für die personelle Maßnahme in Aussicht genommene Bewerber oder Arbeitnehmer den Betriebsfrieden durch gesetzwidriges Verhalten oder durch grobe Verletzung der in § 75 Abs. 1 enthaltenen Grundsätze, insbesondere durch rassistische oder fremdenfeindliche Betätigung, stören werde.