§ 78 BetrVG

Schutz- und Beweisvorschriften

Die wichtigsten Gremien, die im Gesetzestext ausdrücklich genannt und deren Mitglieder durch den § 78 BetrVG geschützt werden, sind:

  • Betriebsrat
  • Gesamtbetriebsrat und Konzernbetriebsrat
  • Jugend und Auszubildendenvertretung (JAV) sowie GJAV und KJAV
  • Wirtschaftsausschuss
  • Einigungsstelle (einschließlich externer Mitglieder)
Zusätzlich sind einige Spezialfälle zu beachten:
  • Der Schutz von Betriebsratsmitgliedern erstreckt sich selbstverständlich auch auf die speziellen Interessenvertretungen, die eventuell nach § 3 Abs. 1 BetrVG gewählt wurden (z.B. einen Sparten- oder Branchenbetriebsrat).
  • Ebenfalls unter den Schutz des § 78 BetrVG fallen aktiv eingesetzte Ersatzmitglieder der genannten Gremien sowie Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, auch wenn diese im Gesetzestext nicht ausdrücklich genannt werden.
  • Mitglieder eines Wahlvorstands oder Kandidaten z.B. für einen Betriebsrat werden durch § 20 Abs. 1 und 2 BetrVG gesondert geschützt.
  • Wenn und soweit Gewerkschaftsbeauftragte Aufgaben nach dem BetrVG wahrnehmen (z.B. im Rahmen einer Betriebsratswahl), stehen sie ebenfalls unter dem Schutz des 78 BetrVG. Das kann auch für gewerkschaftliche Vertrauensleute gelten.
Und noch ein besonders wichtiger Sonderfall:
Auch sachkundige Arbeitnehmer, die nach § 80 Abs. 2 BetrVG dem Betriebsrat für Auskünfte zur Verfügung stehen, fallen in diesem Rahmen unter den Schutz des § 78 BetrVG!
Einige Beispiele für verbotene Störungen und Behinderungen:
  • Verhinderung des Zutritts zu irgendwelchen Räumen oder Arbeitsplätzen
  • Zurückhaltung oder Verweigerung benötigter Informationen
  • Entfernung von Mobiliar oder technischer Ausstattung aus dem Betriebsratsbüro
  • Abmahnung eines Betriebsratsmitglieds wegen Verteilung von Informationsmaterial während der Arbeitszeit
Auch jede persönliche Benachteiligung oder Begünstigung des oben genannten Personenkreises ist grundsätzlich verboten!
Dabei kommt es nicht unbedingt darauf an, dass z.B. der Arbeitgeber mit einer Benachteiligung / Begünstigung einen bestimmten Zweck verfolgt. Um die Unabhängigkeit der BetrVG-Gremien zu wahren, ist jede Benachteiligung / Begünstigung untersagt.
Einige Beispiele für verbotene Benachteiligungen:
  • Kündigung oder Androhung einer Kündigung
  • Versetzung auf einen schlechter bezahlten oder geringer qualifizierten Arbeitsplatz
  • Verweigerung von eigentlich zustehenden Vergünstigungen (z.B. Zulagen)
  • Schlechtere Entgeltentwicklung gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmern
  • Verweigerung von betrieblichen Qualifizierungsmaßnahmen
Zu beachten ist dabei: Wenn alle oder zumindest die beruflich einem Betriebsratsmitglied vergleichbaren Arbeitnehmer eine solche Benachteiligung erleiden (z.B. die Einführung von Kurzarbeit in einem Betriebsteil), ist es möglich, dass auch ein betroffenes Betriebsratsmitglied dies hinnehmen muss.
Einige Beispiele für verbotene Begünstigungen:
  • überhöhte Entschädigungen für Auslagen oder Reisekosten
  • Beförderungen "außer der Reihe"
  • kostenlose oder unüblich vergünstigte Urlaubsreisen
Bei alldem gilt:
Wer behauptet, dass eine verbotene Benachteiligung oder Begünstigung vorliegt, muss auch den Beweis für diese Behauptung antreten!
An diesen Beweis als Voraussetzung für ein eventuelles Gerichtsverfahren dürfen aber keine zu hohen Ansprüche gestellt werden - es genügt, wenn der "erste Anschein" dafür spricht.
Der Betriebsrat sollte in jedem Fall eines vermuteten Verstoßes gegen § 78 BetrVG die Unterstützung seiner Gewerkschaft anfordern!

Berufliche Entwicklung

Je nach Qualifikation und Stelle im Betrieb, kommt für viele Arbeitnehmer auch eine betriebliche Weiterentwicklung in Betracht. Zum Beispiel durch betriebliche Fortbildungsmaßnahmen, eine Versetzung auf eine qualitativ höherwertige Stelle oder auch durch einen Karrieresprung mit Übernahme von Führungsverantwortung usw.

Auch Betriebsratsmitglieder dürfen von der beruflichen Entwicklung nicht abgekoppelt werden.

Verfügt ein Betriebsratsmitglied über die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten, um auf eine freie (höherwertige) Stelle eingesetzt zu werden, und bewirbt sich dieser z.B.  bei einer innerbetrieblichen Stellenausschreibung, muss das Betriebsratsmitglied auch berücksichtigt werden und darf nicht wegen seines Betriebsratsamtes abgewiesen werden. Lediglich wenn ein Mitbewerber qualifizierter oder aus anderen sachlichen Gründen geeigneter ist, kann es zur Ablehnung der Bewerbung kommen.

Zu berücksichtigen ist auch, dass durch das Betriebsratsamt selbst Kenntnisse erworben werden, die anderweitig im Betrieb eingesetzt werden können. Entscheidend ist lediglich, dass es tatsächlich im Betrieb eine Stelle gibt, auf der diese Kenntnisse gebraucht werden. Als Beispiel können hier genannt werden: Kenntnisse zum Thema Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz oder Kenntnisse wie z.B. Personaleinsatzplanung oder Personalentwicklung.

Es müssen aber schon während der Amtszeit (z.B. durch Seminare) erworbene Kenntnisse sein; allein das „Tagesgeschäft“ wie z.B. mit dem Arbeitgeber regelmäßig verhandeln, reichen nicht aus.

Auch nach §38 BetrVG von der Tätigkeit vollständig freigestellte Betriebsratsmitglieder haben den Anspruch bei Stellenbesetzungen berücksichtigt zu werden, die ihrer beruflichen Entwicklung dienlich sind. Gegebenenfalls kommt es in solchen Fällen zu einer „fiktiven Karriere“. Das Betriebsratsmitglied wird Stelleninhaber, während eine zweite Person – wegen der Freistellung – zusätzlich eingestellt werden muss.


§ 78

Die Mitglieder des Betriebsrats, des Gesamtbetriebsrats, des Konzernbetriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Konzern-Jugend- und Auszubildendenvertretung, des Wirtschaftsausschusses, der Bordvertretung, des Seebetriebsrats, der in § 3 Abs. 1 genannten Vertretungen der Arbeitnehmer, der Einigungsstelle, einer tariflichen Schlichtungsstelle (§ 76 Abs. 8) und einer betrieblichen Beschwerdestelle (§ 86) sowie Auskunftspersonen (§ 80 Abs. 2 Satz 3) dürfen in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht gestört oder behindert werden. Sie dürfen wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden; dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung. Eine Begünstigung oder Benachteiligung liegt im Hinblick auf das gezahlte Arbeitsentgelt nicht vor, wenn das Mitglied einer in Satz 1 genannten Vertretung in seiner Person die für die Gewährung des Arbeitsentgelts erforderlichen betrieblichen Anforderungen und Kriterien erfüllt und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt.