§ 3 Abs. 1+5 BetrVG

Besondere Strukturen

Welche Art von Betriebsrat (Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat, Konzernbetriebsrat) für welchen Zuständigkeitsbereich gebildet werden muss, ist im BetrVG ziemlich genau festgelegt (siehe § 1 BetrVG sowie § 47 und 54 BetrVG).

Von dieser vorgegebenen Struktur der  Arbeitnehmervertretung darf nur abgewichen werden, wenn sich der Arbeitgeber und die zuständige Gewerkschaft auf eine alternative Struktur einigen und diese Einigung in einem Tarifvertrag regeln (Ausnahmen: § 3 Abs. 2-3 BetrVG).
Allerdings gilt in diesem Fall:
Weigert sich der Arbeitgeber, mit der Gewerkschaft über einen solchen Tarifvertrag zu verhandeln, kann eine abweichende Struktur der Arbeitnehmervertretung nicht durchgesetzt werden! Ein Arbeitskampf ist in diesem Fall also ausgeschlossen!
Folgende Möglichkeiten lassen sich realisieren:
1. Ein gemeinsamer Betriebsrat für mehrere Betriebe
Für mehrere zu einem Unternehmen gehörende Betriebe kann ein gemeinsamer Betriebsrat gewählt werden. Möglich ist ein solcher gemeinsamer Betriebsrat...
  • für alle zu einem Unternehmen gehörenden Betriebe oder auch
  • für eine Auswahl von Betrieben
Beispiel:
Ein Unternehmen hat einen größeren Betrieb und dazu noch etliche kleine Filialbetriebe. In diesem Fall könnte zusätzlich zum Betriebsrat des Hauptbetriebs noch ein gemeinsamer Betriebsrat für die Filialen gewählt werden (oder auch jeweils ein Betriebsrat für die Filialen einer Region). In diesem Fall gäbe es auch noch einen Gesamtbetriebsrat. Bei einem gemeinsamen Betriebsrat für alle Betriebe eines Unternehmens wäre das natürlich nicht der Fall.
2. Ein gemeinsamer Betriebsrat für Unternehmenssparten
Größere Unternehmen oder Konzerne bestehen oft aus verschiedenen Sparten (manchmal auch "Divisionen" genannt) - z.B. Nahrungsmittel, Kosmetik, Waschmittel. Die Betriebe jeder dieser Sparten (einschließlich der dazu gehörenden Verwaltungseinheiten) könnten je einen gemeinsamen Betriebsrat wählen (für das Gesamtunternehmen käme dann noch ein Gesamtbetriebsrat hinzu).
3. Freie Festlegung einer Arbeitnehmervertretungsstruktur
Wenn und soweit Gewerkschaft, vorhandene Betriebsräte und Arbeitgeber dies für vernünftig halten, kann auch eine ganz frei gestaltete Struktur der Arbeitnehmervertretung vereinbart werden. Möglich wäre z.B. eine Kombination aus den Punkten 1 und 2, oder (theoretisch) auch ein gemeinsamer Betriebsrat für sämtliche Betriebe eines Konzerns.
4. Zusätzlicher Branchen- oder Regionalbetriebsrat
Mehrere Unternehmen einer Branche oder einer Region können zusätzlich (!) zu den vorhandenen Betriebsratsgremien eine Art Branchen- oder Regionalbetriebsrat bilden. Dass es dazu kommt, ist wegen der üblicherweise vorhandenen Konkurrenzsituation allerdings unwahrscheinlich. Außerdem gäbe es trotz dieses Gremiums in den einzelnen Unternehmen ja noch die "normalen" Betriebsratsgremien. Auch hätte ein Branchen- / Regionalbetriebsrat keine Mitbestimmungsrechte (siehe oben).
5. Arbeitsgruppensprecher und weitere Arbeitnehmervertretungen
Es kann auch vereinbart werden, dass zusätzlich (!) zu den vorhandenen Betriebsratsgremien in der Arbeitnehmerschaft noch weitere "Basisvertreter" (z.B. Arbeitsgruppensprecher) gewählt werden, die dann - ähnlich wie gewerkschaftliche Vertrauensleute - Ansprechpartner für die Arbeitnehmer wären und mit dem Betriebsrat zusammenarbeiten würden.
In den Fällen 1 bis 3 gilt laut § 3 Abs. 5 BetrVG für die neue Struktur der gewählten Arbeitnehmervertretungen
Es handelt sich immer und zwingend um vollwertige Betriebsratsgremien mit allen Rechten und Pflichten!
Das heißt konkret:
Die neu gewählten Betriebsratsgremien müssen den gesetzlichen Mindeststandards genügen - vor allem im Hinblick auf Größe und Zusammensetzung der Betriebsräte!
Beispiel:
Soll für ein Unternehmen mit mehreren Betrieben ein gemeinsamer Betriebsrat gewählt werden, dann bestimmt die Gesamtzahl der Arbeitnehmer des Unternehmens darüber, wieviele Betriebsratsmitglieder zu wählen sind (§ 9 BetrVG). Gleiches gilt für die Zahl der von der Arbeit freizustellenden Betriebsratsmitglieder (§ 38 BetrVG) oder auch für die Verteilung der Betriebsratssitze auf die beiden Geschlechter (§ 15 BetrVG).

§ 3 Abs. 1+5

(1) Durch Tarifvertrag können bestimmt werden:
1. für Unternehmen mit mehreren Betrieben
a) die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats oder
b) die Zusammenfassung von Betrieben,
wenn dies die Bildung von Betriebsräten erleichtert oder einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer dient;
2. für Unternehmen und Konzerne, soweit sie nach produkt- oder projektbezogenen Geschäftsbereichen (Sparten) organisiert sind und die Leitung der Sparte auch Entscheidungen in beteiligungspflichtigen Angelegenheiten trifft, die Bildung von Betriebsräten in den Sparten (Spartenbetriebsräte), wenn dies der sachgerechten Wahrnehmung der Aufgaben des Betriebsrats dient;
3. andere Arbeitnehmervertretungsstrukturen, soweit dies insbesondere aufgrund der Betriebs-, Unternehmens- oder Konzernorganisation oder aufgrund anderer Formen der Zusammenarbeit von Unternehmen einer wirksamen und zweckmäßigen Interessenvertretung der Arbeitnehmer dient;
4. zusätzliche betriebsverfassungsrechtliche Gremien (Arbeitsgemeinschaften), die der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit von Arbeitnehmervertretungen dienen;
5. zusätzliche betriebsverfassungsrechtliche Vertretungen der Arbeitnehmer, die die Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Arbeitnehmern erleichtern. [...]
(5) Die aufgrund eines Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung nach Absatz 1 Nr. 1 bis 3 gebildeten betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten gelten als Betriebe im Sinne dieses Gesetzes. Auf die in ihnen gebildeten Arbeitnehmervertretungen finden die Vorschriften über die Rechte und Pflichten des Betriebsrats und die Rechtsstellung seiner Mitglieder Anwendung.