Minderheitsgeschlecht

In so gut wie jedem Betrieb sind Frauen und Männer beschäftigt. Und je nach Betrieb oder Branche sind dabei mal die Männer und mal die Frauen in der Minderheit. Damit das jeweilige "Minderheitsgeschlecht" bei der Betriebsratswahl nicht "untergebuttert" wird und (mindestens) angemessen vertreten ist, gibt es dafür eine spezielle Regelung. Und so beginnt es:
Der Wahlvorstand legt fest, wie viele Betriebsratssitze für das Geschlecht, das sich im Betrieb in der Minderheit befindet, "reserviert" werden müssen (siehe § 5 Absatz 2 BetrVG)!
Das ist anhand der getrennt nach Geschlechtern aufgestellten Wählerliste (hier) schnell erledigt. Und dann geht es darum auszurechnen, in welchem zahlenmäßigen Verhältnis das Minderheits- zum Mehrheitsgeschlecht steht, und wie viele Betriebsratssitze diesem Verhältnis entsprechen.
Die mathematische Methode, nach der das errechnet werden muss, ist das "d’Hondtsche Höchstzahlensystem" (hier eine Beschreibung) – dafür muss man zunächst feststellen, wie viele Frauen und wie viele Männer überhaupt im Betrieb beschäftigt sind:
      67 Männer 33 Frauen

Dann erweitert man das zu einer Tabelle mit ebenso vielen Zeilen, wie Betriebsratsmitglieder zu wählen sind (auch wenn man sie nicht alle brauchen wird):
   67 Männer  33 Frauen
 : 1    
 : 2    
 : 3    
 : 4    
 : 5    
 : 6    
 : 7    

In die freien Felder der Tabelle schreibt man nun hinein, was herauskommt, wenn man jeweils die Zahl oben (in unserem Beispiel 67 oder 33) durch die Zahl teilt, die in der linken Spalte steht (: 1 / : 2 / : 3...).
   67 Männer  33 Frauen
 : 1 67 : 1 = 67,0 33 : 1 = 33,0
 : 2  67 : 2 = 33,5 33 : 2 = 16,5
 : 3    
 : 4    
 : 5    
 : 6    
 : 7    

Wenn das fortgesetzt wird, sieht’s am Ende dann so aus:
   67 Männer  33 Frauen
 : 1 67,0 33,0
 : 2  33,5 16,5
 : 3 22,3 11,0
 : 4  16,8  8,3
 : 5  13,4  6,6
 : 6  11,2  5,5
 : 7  9,6  4,7

In der gesamten Tabelle wird dann die höchste vorkommende Zahl gesucht und markiert – also die 67. Dann nach der zweithöchsten Zahl suchen (klar: 33,5) und markieren. Dann folgt die dritthöchste Zahl – erstmals in der zweiten Spalte, also  bei den Frauen.
   67 Männer  33 Frauen
 : 1 67,0 33,0
 : 2  33,5 16,5
 : 3 22,3 11,0
 : 4  16,8  8,3
 : 5  13,4  6,6
 : 6  11,2  5,5
 : 7  9,6  4,7

So geht es weiter, bis so viele (Höchst-)Zahlen herausgesucht und markiert worden sind, wie der zu wählende Betriebsrat Mitglieder haben wird – in diesem Beispiel also 5 Höchstzahlen. Und so sieht dann das Endergebnis aus:
   67 Männer  33 Frauen
 : 1 67,0 33,0
 : 2  33,5 16,5
 : 3 22,3 11,0
 : 4  16,8  8,3
 : 5  13,4  6,6
 : 6  11,2  5,5
 : 7  9,6  4,7

Auf die Männer entfallen 4 Höchstzahlen (= 4 Betriebsratssitze), auf die Frauen aber nur eine(r). Ungerecht? Ja, vielleicht. Aber das Ausrechnungssystem funktioniert nun mal so – und wenn die "Schwellenwerte" nur etwas anders sind, mag es auch mal anders herum kommen (schon bei 34 Frauen und 66 Männern müssten 2 Sitze für Frauen reserviert werden – es stünde dann also 3 zu 2). 

Außerdem haben die Minderheits-Frauen in unserem Beispiel ja noch die Chance, einen der 4 scheinbaren (!) "Männer-Plätze" zu holen, denn:
Die Sitze, die nicht zum Minderheitsgeschlecht gehören, fallen nicht etwa automatisch an die Männer, sondern werden nach den üblichen Regeln ohne Rücksicht auf das Geschlecht verteilt, so wie die Wählenden das eben bestimmen!
Dass es sich bei diesem Verfahren nicht um echten Minderheitsschutz handelt, wird schon daran deutlich, dass es bei einem sehr geringen Anteil des Minderheitsgeschlechts an der Gesamtbelegschaft auch zu einem solchen Ergebnis kommen kann:
   170 Frauen  20 Männer
 : 1 170,0 20,0
 : 2 85,0 10,0
 : 3 56,7 6,7
 : 4 42,5 5,0
 : 5 34,0 4,0
 : 6 28,3 3,3
 : 7 24,3 2,9

190 Arbeitnehmer, Wahl eines 7-köpfigen Betriebsrats, nur 20 Männer, und keine der für einen 7-köpfigen Betriebs­rat zu vergebenden Höchstzahlen fällt auf die Männerseite. Männliche Kandidaten müssten also versuchen, persönlich genügend Stimmen oder (bei Listenwahl) einen guten Platz auf der Liste zu bekommen.
Und noch etwas kann passieren (und das nicht einmal so selten): Beim Auszählen der Höchstzahlen stellt man fest, dass die letzte in Frage kommende Höchstzahl bei Frauen und Männern genau gleich ist.
   80 Männer  40 Frauen
 : 1 80,0 40,0
 : 2 40,0 20,0
 : 3 26,7 13,3
 : 4 20,0 10,0
 : 5 16,0  
 : 6    
 : 7    

Die Lösung des Problems ist denkbar einfach:
  • Ist die letzte festzustellende Höchstzahl bei beiden Geschlechtern gleich, entscheidet das Los, ob das Minderheits­geschlecht diesen Sitz bekommt.
  • Wie der Wahlvorstand diese Auslosung durchführt, ist ihm überlassen. Er schreibt z.B. auf einen Zettel das Wort "Frauen" und auf einen zweiten das Wort "Männer", faltet die Zettel, wirft sie in ein Gefäß und lässt dann einen der beiden Zettel ziehen.
  • Der Wahlvorstand nimmt diese Auslosung sofort vor, nachdem er das Problem erkannt hat – gleich in derselben Sitzung! – und protokolliert das Ergebnis.