Betriebsratsgröße festlegen

Fast immer ist die Feststellung der korrekten Betriebratsgröße überhaupt kein Problem – § 9 BetrVG liefert klare Zahlen. Ein Beispiel:

In einem Betrieb mit 150 Beschäftigten ist ein 7-köpfiger Betriebsrat zu wählen. Und es müssten ("in der Regel!) mindestens 51 Leute mehr dort arbeiten, damit daraus ein 9-köpfiger Betriebsrat werden könnte. Oder die normale Belegschaftsgröße müsste um 50 Arbeitnehmer niedriger liegen, ehe ein nur noch 5-köpfiger Betriebsrat gewählt werden dürfte.
Damit ist klar, für welche Betriebe die Frage nach der genauen Betriebsratsgöße interessant sein kann:
  • Betriebe, deren Belegschafts­größe an den im § 9 BetrVG festgelegten Grenzen liegt – 20, 50, 100, 200, 400 usw.
  • Betriebe, bei denen vor der Betriebsrats­wahl die Belegschaftsgröße über oder unter eine dieser Grenzen gestiegen oder gesunken ist.
  • Betriebe, bei denen die Anzahl der Beschäftigten regelmäßig nach oben oder unten über eine der Grenzen schwankt.
Wie der Wahlvorstand in solchen Fällen entscheiden kann, soll an einigen Beispielen erklärt werden:

Beispiel 1:

Ein Betrieb hat seit längerem eine Stammbelegschaft von 104 Arbeitnehmern. Entsprechend gibt es einen 7-köpfigen Betriebsrat. Vor kurzem sind nun 3 ältere Arbeitnehmerinnen in Ruhestand gegangen und vor 2 Wochen ist der Bilanzbuchhalter wegen Unterschlagung fristlos entlassen worden. In der Wählerliste stehen also nur noch 100 wahlberechtigte Arbeitnehmer – gibt es jetzt also einen 5-köpfigen Betriebsrat?
Der Wahlvorstand entscheidet richtig:
Es bleibt bei einem 7-köpfigen Betriebsrat, denn das Absinken der Belegschaftsgröße kann nicht von Dauer sein. Die Arbeitsplätze der Ruheständlerinnen sind ja nicht weg, sie sind nur noch nicht wieder neu besetzt. Das Gleiche gilt für den Bilanzbuchhalter!

Beispiel 2:

In einem Betrieb mit bisher 197 Beschäftigten und einem 7-köpfigen Betriebsrat sind 5 Aushilfskräfte befristet für 2 Monate eingestellt worden. Die Wählerliste enthält jetzt 202 Namen. Also 9-köpfiger Betriebsrat?
Der Wahlvorstand prüft die Sache und entscheidet ungerne, aber richtig:
Es bleibt beim 7-köpfigen Betriebsrat. Die Aushilfen sind für die Bewältigung eines termingebundenen Großauftrags eingestellt worden. Es gibt keinerlei Hinweise, dass sich so etwas in der Zukunft so bald wiederholen wird. Auch in der Vergangenheit hat es eine vergleichbare Situation das letzte Mal vor eineinhalb Jahren gegeben.

Beispiel 3:

Ein Hotel irgendwo in einem Winterurlaubs­gebiet hat zur Zeit der Betriebsratswahl (Anfang Mai) nur Sommerbelegschaft. Das sind 92 wahlberechtigte Arbeitnehmer. In diesem Jahr soll das erste Mal ein Betriebs­rat gewählt werden. Ein 5-köpfiger?
Der Wahlvorstand entscheidet richtig:
Es ist ein 7-köpfiger Betriebsrat zu wählen. Denn in der eigentlichen Saison, im Winter, sind in den letzten Jahren immer etwa 170 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen. Und da die Saison vom 15. Oktober bis zum 31. April geht, ist das der größere Teil des Jahres. "In der Regel" sind also mehr als 150 Arbeitnehmer beschäftigt!

Beispiel 4:

Ein kleinerer Betrieb hat eine Stammbelegschaft von 37 Arbeitnehmern; er hat einen 3-köpfigen Betriebsrat. Jedes Jahr müssen in den Wochen vor Ostern etwa 20 zusätzliche Arbeitnehmer eingestellt werden, als Aushilfen, befristet für 6 bis 8 Wochen. Natürlich sind diese Arbeitnehmer bei der in dieser Zeit stattfindenden Betriebs­ratswahl stimmberechtigt. In der Wählerlis­te stehen also 57 wahlberechtigte Arbeitneh­mer. Aber heißt das auch: 5-köpfiger Betriebsrat?
Der Wahlvorstand entscheidet richtig:
Es bleibt beim 3-köpfigen Betriebsrat. Denn entscheidend ist nicht die aktuelle Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer, sondern die Zahl der Arbeitnehmer, die "in der Regel" im Betrieb beschäftigt sind. Und das sind und bleiben 37. Die 6 bis 8 Wochen im Jahr, in denen über 50 Arbeitnehmer beschäftigt sind, genügen nicht, um sagen zu können, dass das der Regelfall sei!

Beispiel 5:

Ein großes Konstruktionsbüro beschäftigt 97 Leute; außerdem arbeiten (abgestellt von der Zentrale des Konzerns, zu dem das "outgesourcte" Konstruktionsbüro gehört) und auch nicht zum ersten Mal, seit Kurzem 5 Software-Entwickler im Betrieb, die eine neue CAD-Software entwickeln und mit den bisherigen IT-Lösungen verbinden sollen. Bis zum Produktivstart der Software werden noch etwa 5 Monate vergehen.
Der Wahlvorstand prüft besonders sorgfältig und entscheidet richtig:
Er legt die künftige Betriebsratsgröße auf 5 Mitglieder fest. Denn: Bei den Software-Entwicklern handelt es sich (a) um "echte" Leiharbeitnehmer und (b) sind so gut wie immer 5 bis 6 EDV-Fachleute aus der Zentrale hier im Betrieb eingesetzt, um die diversen Software-Lösungen weiterzuentwickeln und anzupassen. Diese Leiharbeitnehmer sind zwar (wenn ihr Einsatz auf mindestens 3 Monate angelegt ist) wahlberechtigt, zählen jedoch bei der Festlegung der Betriebsgröße nur mit, wenn sie  "in der Regel" (und das heißt: mehr als 6 Monate im Jahr) beschäftigt sind (siehe auch § 14 Abs. 2 AÜG).
Diese Beispiele machen klar, nach welchen Grundsätzen der Wahlvorstand bei seiner Entscheidung vorgehen muss:
Ausschlaggebend ist nicht die Zahl der Wahlberechtigten, die zur Zeit der Betriebsratswahl tatsächlich im Betrieb beschäftigt sind, sondern die Zahl der normalerweise dort tätigen Arbeitnehmer!
Um festzustellen, wie groß diese Zahl ist, muss der Wahlvorstand die Vergangenheit unter die Lupe nehmen: Wie viele Arbeitnehmer waren im Durchschnitt in den letzten Jahren beschäftigt?
Dabei gilt:
Wenn der Personalbestand eine der Grenzen des § 9 BetrVG über- oder unterschritten hat, muss geprüft werden, ob diese Abweichung voraussichtlich von einiger Dauer oder wirklich nur vorübergehend sein wird!
Bei einem regelmäßigen Steigen oder Sinken der Beschäftigtenzahlen (in Saison- oder Kampagnebetrieben) wird die Belegschaftsgröße gezählt, die in dem größeren Teil eines Jahres (6 Monate oder mehr) im Betrieb beschäftigt ist!