Regel 4: Systematisch vorgehen

Gerade wenn ein Problem etwas kompliziert ist, muss das Betriebsratsmitglied versuchen, sich Schritt für Schritt da heranzutasten. In unserem Beispielgespräch zwischen Gudrun Gundel und Karl Kowalski ist das nicht gerade gut gelaufen:

Karl Kowalski: "...Ich gehör in die Entgeltgruppe G und fertig!"
Gudrun Gundel: "Pass auf, ich erklär's dir mal - ganz einfach."
Karl Kowalski: "Hältst du mich für doof?"
Gudrun Gundel: "Nein natürlich nicht. Aber das ist wirklich ein bisschen schwierig. Also: Erstmal muss da eine Beschwerde von dir vorliegen..."
Karl Kowalski: "Hast du sie nicht alle? Ich hab mich doch schon bei euch beschwert - vor einem halben Jahr, bei deinem großartigen Hermann..."
Wenn eine Gesprächssituation erst einmal so verfahren ist, dann geht eben nichts mehr ohne Hieb und Gegenhieb. In diesem Fall liegt das natürlich daran, dass schon am Anfang des Gesprächs einiges schief gelaufen ist. Trotzdem: Mit Geduld und Beharrlichkeit wäre noch etwas zu machen. Es geht ja darum, eine Lösung für das anstehende Problem zu finden. Und da gilt:
Immer darauf achten, dass die verschiedenen Teile eines Problems nacheinander und gemeinsam (!) behandelt und abgeschlossen werden! Das macht ein Gespräch produktiv und hilft auch bei Unsachlichkeit des Gegenübers geduldig zu bleiben!
Und so könnte sich das dann vielleicht anhören:
Karl Kowalski: "...Ich gehör in die Entgeltgruppe G und fertig!"
Achtung: Jetzt das Gesamtproblem unterteilen und das erste Teilproblem anpacken:
Gudrun Gundel: "Gut. Gehen wir mal der Reihe nach vor. Du hast dich also bei Hermann beschwert, damals?"
Karl Kowalski (verdreht die Augen): "Hab ich dir ja schon gesagt. Aber passiert ist dann nix!"
Gudrun Gundel: "Und darüber hast du dich geärgert - das versteh ich gut. Ich rede mit Hermann darüber und kläre das. Vielleicht hat er es ja wirklich vergesse. So was soll nicht passieren, aber machmal passiert es eben doch. Aber ich klär es und sag dir morgen Bescheid. Einverstanden?"
Das erste Teilproblem (die unerledigte Beschwerde) ist vom Tisch, jetzt könnte es auf dem Weg zu einer Lösung weitergehen. Und da wartet bereits der nächste Stolperstein:
Gerade als Betriebsrat neigt man dazu, schnell die Verbindung zu früheren Fällen zu ziehen und mit der damals gefundenen Lösung herauszuplatzen. Darum geht es schließlich auch in so einem Gespräch, oder? Es mag überraschen, aber: Nein, darum geht es nicht (jedenfalls nicht in erster Linie).
Der Gesprächspartner will in aller Regel keine schnelle und fertige Lösung präsentiert bekommen! Er will, dass sich das Betriebsratsmitglied ernsthaft und sorgfältig mit seinem Problem beschäftigt!
Und außerdem muss die Lösung, die einem als erfahrenem Betriebsratsmitglied einfällt, auch nicht die beste sein. Jeder Fall liegt schließlich zumindest etwas anders. Besonders heikel aber sind persönliche Erfahrungen (das "was man selber immer tut..." Oder dieses: "Weißt du, ich würde da..."
Der Gesprächspartner will nicht wissen, "was man selber immer tut"! Er will ernst genommen werden und möchte das Gefühl bekommen, dass die (hoffentlich) gefundene Lösung die für ihn persönlich richtige ist!
Außerdem steht ein Ratsuchender angesichts einer "aus der Hüfte geschossenen" Problemlösung auch etwas blöd da. Was für ihn ein ernsthaftes Problem ist, "löst" das Betriebsratsmitglied (scheinbar) im Handumdrehen. Das hat niemand gerne.
Natürlich kann und soll man auch eigene Erfahrungen in ein solches Gespräch einbringen, aber immer nur als Beispiel, als Anregung, nicht aber als die "vollkommen klar auf der Hand liegende" Patentlösung.

zum Beispiel...

Das komplette Beispielgespräch zwischen Gudrun Gundel und Karl Kowalski (...)