§ 102 Abs. 2 BetrVG

Was tun bei einem Kündigungsfall?

Jede Kündigung, über die der Arbeitgeber den Betriebsrat informiert, ist zunächst nur eine beabsichtigte Kündigung. Ausgesprochen werden kann sie erst, wenn...

  • der Betriebsrat eine schriftliche Stellungnahme (z.B. Widerspruch, Bedenken) abgegeben hat oder
  • der Betriebsrat die ihm zustehende Bearbeitungsfrist verstreichen lässt.

... bei einer ordentlichen Kündigung

Der Betriebsrat hat nach Information über eine beabsichtigte ordentliche Kündigung folgende Reaktionsmöglichkeiten:
1. Der Betriebsrat erhebt schriftlich Widerspruch (nach § 102 Abs. 3 BetrVG) - nur ein solcher Widerspruch verbessert die rechtliche Position eines gekündigten Arbeitnehmers wirksam.
2. Der Betriebsrat äußert (nur) schriftlich Bedenken gegenüber der beabsichtigten Kündigung (mehr dazuhier)
Bedenken des Betriebsrats muss der Arbeitgeber zwar zur Kenntnis nehmen, darf dann aber trotzdem die Kündigung rechtswirksam aussprechen! Also keine wirksame Besserstellung des Gekündigten!
3. Der Betriebsrat lässt die ihm nach § 102 Abs. 2 BetrVG zustehende Bearbeitungsfrist verstreichen.
Dennoch wird es bei einem Kündigungsschutzprozess bei der Bewertung der Gesamtsituation eine Rolle spielen, ob der Betriebsrat die Frist verstreichen ließ oder ausdrücklich zugestimmt hat.
Es ist eben ein Unterschied, ob der Betriebsrat für eine Kündigung ist oder ob er nur deshalb schweigt, weil keine Gründe im Sinne des § 102 Abs. 3 BetrVG gefunden wurden, der Betriebsrat die Kündigung aber aus anderen Gründen nicht richtig findet.
Danach kann der Arbeitgeber die Kündigung rechtswirksam aussprechen! Das Verstreichenlassen der Frist ist damit praktisch dasselbe, als würde der Betriebsrat einer beabsichtigten Kündigung ausdrücklich zustimmen!
4. Die ausdrückliche Zustimmung zu einer beabsichtigten Kündigung ist ebenfalls eine dem Betriebsrat zur Verfügung stehende Reaktionsmöglichkeit, die er aber nur in extremen Ausnahmefällen anwenden wird.

... bei einer außerordentlichen Kündigung

Im Fall einer außerordentlichen Kündigung kann der Betriebsrat keinen Widerspruch einlegen, sondern er kann nur Bedenken äußern - was er aber auch immer und unbedingt tun sollte!
Eine fristlose Kündigung ist nur unter Beachtung der Voraussetzungen des § 626 BGB möglich. Zusammengefasst verlangt dieser Paragraph die Abwägung
  1. aller Umstände des Einzelfalls und
  2. der Interessen beider Vertragspartner.
Außerdem ist eine fristlose Kündigung nur innerhalb einer Frist von 14 Tagen (zur Fristberechnung hier) möglich, nachdem der Arbeitgeber von den Tatsachen Kenntnis erlangt hat, die zu einer fristlosen Kündigung berechtigen können.

Den betroffenen Arbeitnehmer anhören!

Um Argumente für das Formulieren von Widerspruchsgründen und vor allem auch Bedenken zu bekommen, soll der Betriebsrat
  • den jeweils Betroffenen persönlich anhören und (wenn das sinnvoll erscheint) auch
  • Arbeitskollegen und Vorgesetzte befragen
Diese Befragung soll dazu dienen, Argumente zu sammeln, um einen Widerspruch formulieren zu können, oder um bisher unbeachtete Aspekte, die gegen eine Kündigung sprechen, als Bedenken äußern zu können.
Der Betriebsrat ist Interessenvertreter des zu kündigenden Arbeitnehmers und nicht vorgelagerte Gerichtsinstanz! Befragungen sollen also nicht dazu dienen, über "Recht und Unrecht" zu entscheiden!
Die Inhalte aller Befragungen sind vertraulich zu behandeln (siehe § 99 Abs. 1 Satz 3 BetrVG).

§ 102 Abs. 2

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen [...]